Das epische und dramatische Element der Fabel

Das im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigte Aufbauprinzip beruht darauf, dass die Fabel episch und dramatisch zugleich ist. R. Dithmar bezeichnet die Fabel als ein „in eine Erzählung eingefügtes Drama in knappster Form"  (12),  in dem Einheit von Ort, Zeit und Handlung herrscht: 

„Das Geschehen spielt sich an einem einzigen Ort ab, in einer Zeitspanne, die meist nicht länger währt, als ein kurzer Dialog (ggf. mit der anschließenden schnellen Tat)  dauert;  es gibt nur eine einzige Handlung und keine Nebenhandlungen."  (13) 

Das typische Merkmal der dramatischen Fabelform ist die Auflösung der Handlung in ein Gespräch. Es geschieht nichts mehr, es wird nichts erzählt; es wird nur noch gesprochen. In ihrer strengsten Form beschränkt die Fabel so das dramatische Geschehen auf einen Dialog als einmalige Rede und Gegenrede. Sehr viel seltener kommt ein Monolog allein vor, der durch eine bestimmte Situation oder ein Ereignis ausgelöst wird  (Beispiel:  Der Fuchs und die Weintrauben). 

Während sich die überwiegend dramatisierte Fabel nur auf das für das Fabelverständnis Wesentliche beschränkt, also zur Stichomythie tendiert, breitet die episierende Fabel den Sachverhalt in ausführlicher Fülle aus. Sie stellt die Figuren in ausführlicher Weise dar, weitet den Konflikt weiter aus und legt insgesamt Wert auf die Stimmigkeit des ganzen Berichts. 
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(12)    Zitiert aus:  R. Dithmar,  a.a.O.,  S. 103 
(13)    Ebda.  S. 104 
 
 
 



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