Daher heftet sich der Dichter die "Kristes bluomen"
(MF 209,37) an sein ritterliches Gewand.
Er weiß, durch seine Kreuznahme steht ihm der lieg
in den "zehenden kor" (MF 209,43) offen.
Aber das Kreuz darf nicht nur äußerlich getragen
werden, es muss auch tief im Herzen verwurzelt sein. Es erfordert seiner
Würde entsprechend den "reinen muot" (MF 209,25) und die"kiusche site"
(MF 209,26) dos Ritters.
Obwohl sich Hartmann von Aue aus den Fesseln der Frauenminne
befreit hat, erkennt er doch die höfische Gesellschaftsordnung an.
Das Lied MF 211,20 ("Swelch vrowe sendet lieben man...") bringt dieses
Akzeptieren zürn Ausdruck. Es enthält die Aufforderung an die
Frauen, sich daheim so zu verhalten, dass sie "kiuschiu wort" (MF 211,24)
verdienen.
Während der Ritter sich auf die Kreuzfahrt begibt,
soll die Herrin für sie beten. So erwirbt auch sie sich ihren
Anteil ("halben Ion") an Gottes Gnade.
Der vordergründige Anlass zur völligen Hinwendung
zu Gott
- gleichsam Ursache für die Abwendung von allen
weltlichen Vergnügungen -
ist der Tod seines Herrn. Hartmann hat hier nicht nur
die bedingungslose Vergänglichkeit des Irdischen erfahren, sondern
sein bisheriger Lebensinhalt hat seinen Sinn verloren.
Nicht nur um sein eigenes Seelenheil zu erringen unternimmt
der Dichter den Kreuzzug, er möchte durch seine Kreuznahme seinem
weltlichen Herrn auch nach dem Tod noch dienen:
"mag ime ze helfe komen
min vart diech han genomen,
ich wil irm halber jehen:
vor gote müeze ich in gesehen."
(Vers 209,31 - 34) .
In wahrhaft edler Treue erweist er seinem Herrn noch über
den Tod hinaus seinen Dienst, indem er ihm den halben Lohn seiner Fahrt
widmet. Gleichzeitig öffnet sich für ihn der Weg in Gottes Reich,
wo er seinen Herrn wiederzusehen hofft.