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Die schönsten deutschen
Heimatsagen
Rübezahl
Im Riesengebirge wissen die Leute von mehreren Orten zu erzählen,
die nach dem Berggeist benannt sind. Da ist Rübezahls Garten, in dem
wertvolle Heilkräuter wachsen. Rübezahl wacht sorgfältig
über sie und hat schon manchem Wurzelsammler oder gelehrten Botaniker
übel mitgespielt, der in seinen Bereich eingedrungen ist, um kostbare
Kräuter oder Wurzeln zu holen. Dann trifft man Rübezahls Schatzkammer,
seine Kanzel, seine Kegelbahn, seinen Teich, seinen Rosengarten. Dieser
hat eine aus Felsblöcken aufgemauerte, kreisrunde Einfriedung. Von
seiner Entstehung erzählt man: Eine Komtesse wurde von einem Bären
angefallen, aber durch einen Jäger gerettet. Sie verliebte sich in
den Jäger. Da aber zwang sie ihr Vater, ins Kloster zu gehen. Aus
Gram darüber starb der Jäger. An der Stelle, wo er begraben wurde,
legte darauf die Komtesse den Rosengarten an.
Viele fremde Leute kamen ins Riesengebirge, besonders Venetianer, um
Gold oder wertvolle Metalle zu suchen. Wenn sie die Schätze nicht
auf natürliche Weise erlangen konnten, suchten sie sie durch Zauberkünste
und Teufelsbeschwörungen vom Berggeist zu erzwingen. Aber sie mußten
seinen Zorn in schrecklicher Weise spüren: unter gewaltigem Donnern
und Blitzen wandte er sich gegen sie, und oft konnten sie nur mit Müh,
und Not unter großem Schrecken ihr Leben retten.
Rübezahl aber zeigt sich auch als gutartiges Wesen. Ein Bauer
war einst in große Geldnot geraten. In seiner Bedrängnis wagte
er es, sich an Rübezahl zu wenden. Er wanderte ins Gebirge, um den
Berggeist aufzusuchen. Dieser erschien dem Bauern und fragte ihn was sein
Anliegen sei. Darauf antwortete der Bauer: "Ich möchte den Beherrscher
des Riesengebirges untertänigst bitten, ob er mir nicht etwas Geld
vorstrecken wollte."
"Gern", erwiderte der Berggeist, "wieviel brauchst du denn eigentlich?"
Darauf der Bauer: "Großmächtiger Herr, könntet Ihr
mir hundert Taler borgen? Ich will sie Euch als ein redlicher Mann übers
Jahr hier wieder zustellen."
Hierauf entfernte sich Rübezahl und kam nach einem Weilchen wieder
zurück. Er brachte einen Beutel mit vielem Geld, das er dem Bauern
lieh.
Nach einem Jahr erschien der Bauer von neuem im Gebirge, am gleichen
Ort wie im Vorjahr. Dort traf er einen Mann, der ganz anders aussah als
jener, der ihm das Geld geliehen hatte. Daher stutzte der Bauer und war
nicht sicher, ob es Rübezahl sei. Auf die Frage des Mannes: "Wo willst
du denn hin, Bauer?" antwortete er daher "Ich wollte zum mächtigen
Herrn des Riesengebirges und ihm, wie ausgemacht, die Taler zurückbringen,
die ich im Vorjahr von ihm geliehen bekam."
Darauf erwiderte der verkleidete Geist: "Mein lieber Bauer, der Rübezahl
ist schon lange tot; geh mit deinem Geld wieder nach Hause und behalte
es." Wer war da fröhlicher als unser Bauer!
Gerne trieb Rübezahl mit den Leuten seinen Schabernack. Oft, wenn
jemand sich im Walde nicht gut auskannte, begleitete er, als Mönch
verkleidet, den Wanderer ein Stück Weges. Im Gespräch bemerkte
er dann, der andere könne sich auf ihn verlassen, denn er kenne sich
hier im Wald gut aus. Wenn er den Fremden dann auf einen Seitenpfad geführt
hatte, von dem aus man sich schlecht zurecht finden konnte, verschwand
er plötzlich über die Äste der Bäume und lachte spöttisch.
Das klang dann wie das Krächzen eines Raubvogels, der im einsamen
Wald plötzlich in die Höhe fliegt, wenn unverhofft ein Wanderer
in seine Nähe kommt.
Öfters hat Rübezahl arme Leute reich und glücklich gemacht.
Einer armen Kräutersammlerin, die sich verirrt hatte, half er auf
den richtigen Weg, nahm aber die Kräuter, die sie im Korbe hatte,
heraus und legte ihr Baumblätter hinein. Doch die Frau fand später
wieder die gleichen Kräuter und warf die Baumblätter weg. Einige
davon aber waren am Korb hängen geblieben. Als sie dann nach Hause
kam, waren alle diese Blätter aus feinem Gold. Gleich ging die Frau
in den Wald zurück, um die weggeworfenen zu suchen, fand sie aber
nicht mehr. Doch schon die wenigen, die ihr verblieben waren, machten sie
reich.
In alter Zeit hat man den Rübezahl voll Ehrfurcht angeredet: Domine
Johannes. Leute, die höher oben im Gebirge wohnen, wissen dies noch
und vermeiden auch heute die dem Berggeist verhaßte Benennung : Rübezahl,
die als Spottname gilt - und wohl keineswegs ein harmloser Spott ist. Dem
Herrn Johannes hat man zur Zeit der Sommersonnenwende schwarze Hähne
geopfert.
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