Die ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands sind politisch von
der Entwicklung der ursprünglich vier Besatzungszonen zu zwei getrennten
Staaten, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, gekennzeichnet.
Aber es gilt auch umgekehrt: Verstand sich die erste Nachkriegsliteratur
im weitesten Sinne politisch, so hatte sie sich 1949 wieder in die Isolation
der reinen Kultur zurückgezogen.
In dieser Zwischengeneration der 30- bis 40-Jährigen war der Wille zum grundlegenden Wandel auch der politisch wirtschaftlichen Strukturen am stärksten ausgeprägt. Mit der wachsenden Restauration gerieten aber diese Autoren an den Rand der kulturellen Szene, sie bildeten den Kern kritischen Opposition der 50er Jahre oder wurden vergessen. Schließlich traten Ende 1946 wirklich jungen Autoren hervor, die Anfang der 20er Jahre Geborenen. Sie waren unter dem Nationalsozialismus herangewachsen, für sie bedeutete 1945 den Zusammenbruch der einzigen Welt, die sie kannten. Der traditionellen deutschen und der modernen westlichen Literatur war
die skeptische Sicht der Geschichte gemeinsam. Denn der deutsche Faschismus
war nur der folgenschwerste Schritt einer insgesamt antidemokratischen
Entwicklung Europas in den 30er Jahren gewesen.
Das Jahr 1945 war das Jahr des Zusammenbruchs des nationalsozialischtischen
Reiches, das ist der Zeitpunkt, von dem die Epoche, in der wir heute leben,
ihren Ausgang nimmt. Deutschland existierte nicht mehr als eigenstaatliches
Gebilde; es wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt und Siegermächten
verwaltet.
Die 50er und 70er Jahre erscheinen, freilich unter unterschiedlichen
Vorzeichen, jeweils als Zeiträume, in denen sich die Literatur weitgehend
aus der politischen Auseinandersetzung heraushält.
"Trümmerliteratur" und "Kahlschlag"
- mit diesen Schlagworten ist die neu entstehende Literatur nach
dem
Dichter und Schriftsteller beginnen, jeder auf seine Weise, die Eindrücke und Geschehnisse der Kriegsjahre und der Nazizeit zu verarbeiten. Vergangenheitsbewältigung und ganz allmählich auch Gegenwartskritik bestimmen die Thematik in Lyrik, Roman, Drama und Hörspiel. Die Beendigung der ökonomischen Rekonstruktion und die aufblühende
Wirtschaft bilden etwa seit 1961 die Voraussetzung für eine "Politisierung
der Literatur". Dichter, Schriftsteller und Liedermacher greifen
aktuelle Ereignisse als Themen auf. Kennzeichnend ist die entschiedene
Parteinahme gegen Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung.
Im Übergang zu den 80er Jahren vollzieht sich eine Rück- und Neubesinnung auf die "Eigenart des Ästhetischen" (Lukács). Schriftsteller wie Alexander Kluge, Peter Weiss und Herbert Achternbusch, deren Anfänge sich schon bis in die 60er Jahre zurückverfolgen lassen, haben konsequent auf die Fähigkeit der Literatur gesetzt, Wirklichkeit zu erfassen, zu verarbeiten und zu formen. Gute Literatur greift auf vielfältige Weise Probleme auf und bietet ihrem Leser Problemlösungsstrategien, die helfen können, den Alltag, das Leben und ähnliche eigene Probleme besser zu bewältigen. Die zahlreiche Trivialliteratur, die im Rahmen der Kommerzialisierung
auch immens aufblüht, leistet das längst nicht immer.
Albrecht Haushöfer: Moabiter Sonette (1945) Günther Weisenbonn: Die Illegalen (1946) Walter Kolbenhoff: Von unserem Fleisch und Blut (1947) Ernst Weichert: Der toten Wald (1946) Alfried Andersch und
Ernst Kreuder: Die Gesellschaft vom Dachboden (1946) Hans Werner Richter: Almanach der Gruppe 47. 1947 – 1962 Heinrich Böll:
Bekentnis zur Tümmerliteratur
(1952) (in: Erzählungen, Hösspiele, Aufsätze.)
Wolfdiedrich Schnurre:
Auszug aus aus dem Elfenbeintturn
(1949) (in: Schreibtisch unter freiem
Wolfgang Weyrauch: Kahlschlag. Nachwort zu „Tausend Gramm“ (1949) Wolfgang Borchert:
Draußen vor Kopf durch die Wand.
(1977)
Gottfreid Benn:
Der Plotemäer (1949)
Friedrich Dürrenmatt:
Die Ehe des Herrn Mississippi (UA
1952)
Max Frisch:
Nun singen sie wieder (1946 UA 1945)
Eugen Kogon:
Der SS- Staat (1969)
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