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Die schönsten deutschen
Heimatsagen
Der Werwolf von Ergste
Der Werwolf ist ein böser Zauberer, der sich in einen Wolf und
allerlei grimmige Tiergestalten verwandeln und dann, ohne daß man
ihm was anhaben kann, Menschen und Vieh Schaden zufügt. Er muß
sich aber, wenn ein unschuldiges Kind ein Stück Stahl über ihn
wirft und dies eher wieder aufgreift, als der Werwolf, in seiner wahren
Menschengestalt zeigen; greift aber der Werwolf es zuerst, so ist das Kind
verloren, denn jener wird wütend und zerreißt es.
Es sind schon wohl dreihundert Jahre her, als ein solcher Werwolf in
dem Dorfe Ergste lebte. Er hatte mit dem Teufel einen Bund gemacht, konnte
sich in allerlei Gestalten verwandeln und verübte allerlei boshafte
und gefährliche Streiche. Besonders liebte er es, sich in einen Wolf
zu verwandeln und in dieser Gestalt Schafe, Kühe und anderes Vieh
aus Ställen und von Weiden zu rauben. Jedermann fürchtete ihn,
aber niemand konnte ihm was anhaben, denn die Macht des Satans beschützte
ihn. Einstmals aber, als er in den Stall eines Bauern gedrungen war, um
Schafe zu stehlen, warfen die beiden Knaben des Bauern, der eine eine Schere,
der andere ein Messer kreuzweise über ihn und fingen es geschwind
wieder auf, ehe der Werwolf dazu kommen konnte. Jetzt mußte er seine
natür-liche Gestalt annehmen und sich gefangen geben. Er wurde nach
Limburg vor ein Gericht gebracht und hier, um zu sehen, ob er ein Zauberer
sei oder nicht, unterm Ögersteine in die Lenne geworfen. Wenn er oben
blieb, so war er ein Zauberer, wenn er aber zu Grunde gehen konnte, so
war es gut. Lange schwamm er oben und es war ihm nicht möglich, unterzutauchen,
und schon wollten Richter und Volk ihn als bösen Zauberer verurteilen.
Da wandte der Wer-wolf sich in seiner Herzensangst an seinen Bundesgenossen,
den Teufel, und flehte ihn um Hilfe an. Dieser verließ ihn auch nicht
und verwandelte sofort eine Nähnadel, die der Zauberer bei sich trug,
in ein schweres Beil, so daß er zu Grunde ging. Er wurde jetzt für
unschuldig erkannt, aus dem Wasser gezogen und frei-gegeben. Er trieb darauf
sein Wesen nach wie vor.
Einige Zeit später aber, als er in einen tiefen Schlaf gefallen
war, überfielen ihn die Bauern plötzlich und legten Feuer an
seinen Leib. Als er erwachte, wollte er sich zwar schnell verwandeln, aber
es war zu spät, und er mußte elend verbrennen. Seine Asche vergruben
sie seitab vom Kirchhofe, wo er noch jede Nacht spuken geht und jammert
und winselt wie jemand, der verbrannt wird.
Der Name Ergste
Die älteste bekannte Namensform ist Argeste. Im Volke wird erzählt,
König Wittekind, der auf Syburg hauste, habe einst mit dem Finger
auf das Dorf deutend, gesagt: "It sind mi de iärgesten!" und seitdem
heißt das Dorf Ergste.
Es ist richtig, daß unser "arg" in dem Namen steckt, aber Arge
bezeichnet auch einen Verbannten. Ergste, d. i. Argi-Sto kann also
"des Verbannten Wohnung" bedeuten.
Ein Iserlohner Kirchspielspruch des 18. Jahrhunderts nennt unter andern
Nachbarorten auch Tover-Ergeste (das bedeutet: Zauber-Ergste), was
vielleicht in der Werwolfsage seinen Grund hat.
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